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Atlantikmann

von Marguerite Duras
Deutschsprachige Erstaufführung
Theaterverein MEDUSA

Di 26.11. bis Sa 30.11.2002
dietheater Konzerthaus, Lothringerstraße 20, 1030 Wien
Beginn: 20 Uhr
Donnerstag: Pay as you wish

Kartenreservierung: 01-5870504

Schauspiel: Silvia Idler
Regie: Gaby Pflügl und Silvia Idler
Lichtdesign: Andrea Korosec
Grafik/Ton: Pamela Schartner
PR/Presse: Barbara Wimmer
Bühnenrechte: Stroemfeld/Roter Ster


"Es ist das Schönste, was ich geschrieben habe"
, sagt Marguerite Duras.


"Atlantik Mann" (1981) ist die Vorlage für einen Film. Marguerite Duras hat ihn selbst aus dem Off über eine hauptsächlich schwarze Leinwand gesprochen. Gleichzeitig ist dieser Text ein Monolog, indem sie Abschied von einem geliebten Menschen, einer tragischen Leidenschaft nimmt.
Liebe, Einsamkeit, Sehnsucht sind die bestimmenden Themen, doch es wäre nicht Marguerite Duras, wenn sie diese nicht mit einer gewissen Ironie, einem Augenzwinkern und ihrem Hang ins unvermeidlich Tragischkomische abhandeln würde.
Eine Frau ist abends bei regnerischem, stürmischen Wetter an den verlassenen, menschenleeren Strand gegangen und setzt sich dem Wind, den Wellen, dem Regen und ihren Erinnerungen aus. Vor der unheimlichen Weite des Meerraumes, in dem sich der Schmerz verliert, verweht der Wind ihre Abschiedsworte. Das Meer spült sie als Strandgut wieder ans Land:


"Während ich sie nicht mehr liebe, liebe ich nichts mehr, nichts, außer Sie, noch immer."

Programmheft (PDF)

Kritiken

Neue Kronen-Zeitung

02.12.2002
Seite: 22

DIETHEATER: Ein einsamer Meeresstrand, eine noch einsamere Frau und ein paar krächzende Möwen sind Protagonisten in Marguerite Duras bekanntem "Atlantik Mann"-Monolog im dietheater-Konzerthaus. Ein etwas zwiespältiger Abend, bei dem trotz Meeresrauschen und Gewitterwolken keine echte Stimmung aufkommen wollte.

Für den winzig kleinen Raum herrscht ein wenig zu viel Natur. Sand, Meer und Möwen, dazu Regen, ein bisschen angeschwemmter Abfall, ein defekter Liegestuhl: Geradezu liebevoll hat die Regie (Gaby Pflügl und Silvia Idler) viel Material drapiert, um der Darstellerin Idler und dem Publikum ein passendes Ambiente zu gewährleisten. Doch was braucht es all diesen Überrealismus, wenn nur eine Stimme das vermochte, worauf es im Theater ankommt: Nämlich die Zuschauer zu verzaubern und in eine magische Welt zu entführen.

Aber gerade diese Entführung findet nicht statt. So sorgsam die Feinheiten auch geplant sind, so sehr sich Silvia Idler auch ins Zeug wirft und mit viel Liebe zum Detail ihre Mimik und Gestik sprechen lässt - all das nimmt man wahr, mehr nicht. Zu wenig Poesie beherrscht den Raum. Zaghafter Tangoschritt hin und her, Zerbrechlichkeit und plötzlicher Humor wollen sich nicht mischen, der Geist bekommt keine Flügel.

Man wünscht sich in Duras bittersüße Welt und verlässt das Theater dennoch nicht vorzeitig - auch wenn dem Text so nicht leicht zu folgen ist: Dass Idler die Dreiviertelstunde mit Konzentration durchsteht, verlangt Respekt ab. So manchem im Zuschauerraum gelang es nicht. OL

Wiener Zeitung


28.11.2002
Seite: 10
Ressort: Kultur

dietheater: "Atlantik Mann" von Marguerite Duras

"Anwesende Abwesenheit" von betonter Emotionalität
Von Christine Dobretsberger

"Das Meer ist das Rauschen zu Füßen der Stadt", ein Raum der Bewegung, dessen Rhythmus von den Wellen dirigiert wird und durch das Moment der ständigen Wiederkehr eine immense Macht entwickelt. Jede Welle ist ihr eigener Kosmos, gleichzeitig ein "Mosaikstein" in Bezug auf die Weite des Ozeans.

Marguerite Duras Element war das Schreiben. Einfache, auf ihr wesentliches Maß reduzierte Sätze, die ihre Kraft aus einer initiierten übergeordneten Ebene schöpfen. Wobei ihr Sprachrhythmus dem der Wellen ähnelt und einfachen Worten ungeheures Gewicht verschafft.

Auch im Monolog "Atlantik Mann" geht es um die Transzendenz des Schmerzes und der Liebe. Schreiben als Mittel um vom Trugbild einer sterbenden Liebe zu genesen, bzw. der Versuch, mit Worten den Zustand von innerer Leere transparent zu machen.

Wurde eines ihrer Werke filmisch oder theatral in Szene gesetzt, achtete Marguerite Duras streng darauf, dass die Schauspieler "Diener ihrer Textes", sprich als untergeordnete Träger ihrer Sprache fungierten. Emotionalisiertes Sprechen war verpönt, weil sonst jene ausgelotete Bewegung, die Duras in ihrem Schreiben übernimmt, kippt, und die angedachte in den Köpfen der Zuseher entstehende Transzendenz nicht stattfinden kann. Denn die Gratwanderung zwischen Emotion und Kitsch ist eine schwierige, zumal sich Duras ausschließlich inneren Gefühlswelten zuwandte.

Bei der Premiere vom "Atlantik Mann" im dietheater Konzerthaus gelang dieser Anspruch der "Schlichtheit" nur bedingt. Im ideal gestalteten, kargen Bühnenraum, konnte Silvia Idler bisweilen nicht der Versuchung standhalten, dem Text gefühlsbetonte Wendungen beizumischen. Vor dem Hintergrund des kontinuierlichen Meeresrauschens (Regie: Gaby Pflügl, Silvia Idler), durfte man sich zwar über die Begegnung eines wundervoll durchkomponierten Textes freuen, hinsichtlich der eingangs erwähnten "anwesenden Abwesenheit" von betonter Emotionalität blieben allerdings einige Wünsche offen.

Die letzte Rolle

und dann das Letzte

ein Theaterstück nach E. M. Cioran
Schauspiel: Mark Wechselberger
Regie: Gaby Pflügl
Ausstattung: Johann Bauer
Dramaturgie: NÖT

Premiere 7. Mai 1999, 20 Uhr

schikaneder, Margaretenstr. 22-24, 1040 Wien
Spielzeit: Fr. 7. bis Mo. 10. Mai 1999
Kartenreservierung: schikaneder 01/5853867
Kartenpreise: ÖS 140,-/120,-

"Wenn schon mein Leben keine Sensation war, so soll es wenigstens mein Tod ein."

Ein Schauspieler bereitet sich vor Publikum auf seine letzte Rolle vor. Gegen Ende der Vorstellung will er sich auf der Bühne umbringen, doch da gibt es erst noch ein paar Hindernisse aus dem Weg zu räumen...
Ein packendes Monodrama nach Aphorismen des rumänisch-französischen Schriftstellers E. M. Cioran, in dem das Bekenntnis zum Selbstmord auf beklemmende und humorvolle Weise zum Ausdruck kommt.

Programmheft (PDF)

Kritiken

Radio Orange


Samstag, 22. Mai 1999, 13 Uhr
Beitrag von Silvia Marosi


Anmoderation, Radio Orange:
Jetzt kommt die Theaterkritik zu "Die letzte Rolle und dann das Letzte" nach Texten von Emil Michel Cioran

O-Ton Nick Cave: Musik
When you are sad and when you are lonely and you havent got a friend Just remember that death is not the end
And all I knew how sacred falls down and does not mend Just remember that death is not the end

O-Ton (Stückzitat) Mark Wechselberger:
Wenn schon mein Leben keine Sensation war, so soll es wenigstens mein Tod sein

(Silvia Marosi:)
Dieser Gedanke beherrscht das Monodrama "Die letzte Rolle und dann das Letzte" nach Texten von E. M. Cioran, das vom 7. bis 11. Mai im Schikaneder-Kino zu sehen war. Ein gescheiterter Schauspieler steht das letzte Mal auf der Bühne, er tritt auf, mit dem Vorsatz sich gegen Ende des Stückes umzubringen. Verzweifelt nach zahlreichen Bühnenmißerfolgen hat er beschlossen, seinen letzten Auftritt zur Sensation zu machen. Er ist eitel, er will die Gewißheit, daß die Welt merkt, daß er gelebt hat. Die Frage nach dem Sinn ist vergeudete Zeit, die Suche nach Gott hat ihn zermürbt. Es gibt keinen Gott und wenn, dann ist er böse. Er spricht über sein Vorhaben sich umzubringen, seine Mißerfolge am Theater, denn das Sein macht Angst, so der Inhalt des Stückes.

(Andere Sprecherin:)
Für Mark Wechselberger, der in dem Einpersonenstück den gescheiterten Schauspieler darstellt, war die Rolle eine Herausforderung. Nach seiner Schauspielausbildung, u.a. bei Tabori und der Schauspielschule Krauss in Wien erhielt er eine Reihe von Engagements, darunter das Schauspielhaus in Bremen und das Volkstheater in Wien, wo er u. a. den Mercutio in Romeo und Julia und in Peer Gynt spielte. Schließlich gründete er einen eigenen Theaterverein "Das neue österreichische Theater". "Die letzte Rolle und dann das Letzte" ist ihre vierte Produktion. Zu der Rolle sagt er:

O-Ton (Interview) Mark Wechselberger:
Meine Beziehung zur Rolle .... ist eine Widersprüchliche. Ich spiel es ja recht gern, ich mag diese Rolle und ich glaub, sie liegt mir auch. Passagenweise, zu 70 %, wenn man das so sagen kann. Sie ist mir ein bißchen unheimlich, aber [Pause] trotzdem spiele ich sie gern oder weil sie eben so widersprüchlich ist - spiel ich sie gern, einfach. Und weil ich in dieser Rolle gelernt hab, Distanz zu kriegen von den Figuren. Es ist ja auch schön einen gescheiterten Schauspieler zu spielen, der über drei oder vier Sätze nie rausgekommen ist - eigentlich - und jetzt glaubt seinen großen Auftritt ... einmal wenigstens in seinem Leben zu haben. Und selbst der geht dann schief.

(Marosi) Gaby Pflügl war nach ihrem Studium der Theaterwissenschaft an der Universität Wien zunächst als Dramaturgin am Theater Brett in Wien tätig. Ihre Berufslaufbahn umfaßt eine Reihe von Stellen als Regieassistentin, u.a. für Produktionen des Theaters der Jugend und Theater Scala in Wien. Außerdem arbeitete sie als Lichtdesignerin und Tontechnikerin. Für das Stück "Die letzte Rolle und dann das Letzte" führt sie zum ersten Mal die Regie. Sie erreichte es, die Produktion ohne jegliche Geldmittel auf die Beine zu stellen; eine Situation, der sich die Kleintheater oft ausgesetzt wissen.

O- Ton (Interview) Gaby Pflügl:
Wir haben für diese Produktion gar kein Geld bekommen und wir haben es trotzdem gemacht aus Idealismus und - ja - wir rechnen halt jetzt mit Zuschauern und das ist eigentlich unser Lohn dafür. .... Die Situation ist sehr, sehr schwierig, jetzt kann man ein Stück machen, aber man nicht dauernd ohne Geld arbeiten.

Trotz jener Schwierigkeiten ist es Gaby Pflügl und Mark Wechselberger geglückt, die Produktion des Neuen Österreichischen Theaters geschickt in Szene zu setzen. Der Text ist eine Montage aus Peter Sattmanns Stück "Der Erzbischof ist da" und drei Werken Ciorans.

O-Ton (Interview) Mark Wechselberger:
Also, die Montage besteht aus drei Werkteilen, der erste Teil ist "Die verfehlte Schöpfung", der zweite Teil ist "Vom Nachteil, geboren zu sein" und der dritte ist "Der zersplitterte Fluch". Und wie gesagt, aus diesen drei Werken ist ein Montagestück entstanden.

(Sprecherin) Emil Michel Ciorans Denken, das u.a. Paul Celan und Samuel Beckett beeinflußt hat, ist gekennzeichnet durch einen radikalen Skeptizismus. Er stellt die Existenz eines Gottes, die Existenz eines Sinns und die einer Erlösung in Frage, denn frei sein heißt, sich auf ewig von der Idee der Belohnung lösen, nichts von den Menschen noch den Göttern erwarten. Es heißt, nicht nur auf diese Welt und auf alle Welten verzichten, sondern auf das Heil selber. Es heißt sogar, seine Vorstellung zerbrechen, diese Kette der Ketten, wie er in "Die verfehlte Schöpfung" schreibt. Ciorans Aphorismen sind geprägt von einer Zerrissenheit, die offen ist für Widersprüche, seine extremen Formulierungen sind radikal und kompromißlos; er ist ein Denker der Extreme. In "Die letzte Rolle und dann das Letzte" geht es hauptsächlich um Ciorans Auffassung von Freiheit, die aus der Möglichkeit zum Selbstmord besteht, der Fähigkeit, zu sich zu töten und der Erkenntnis, das Leben jederzeit beenden zu können , wenn man will.

O-Ton (Stückzitat) Mark Wechselberger:
Der Tod ist das Beste, was die Natur gefunden hat, um alle von uns zufriedenzustellen. Mit jedem von uns versinkt alles unaufhörlich für immer. Welcher Vorzug. Das Leben ist nichts, der Tod ist alles.

Heißt es im Stück und später:
O-Ton (Stückzitat) Mark Wechselberger:
Jahre hindurch nur an diese letzten Augenblicke gedacht zu haben, um, wenn sie endlich da sind, festzustellen, daß der Gedanke an den Tod zu allem hilft, nur nicht zum Sterben.

O-Ton (Interview) Mark Wechselberger:
Es ist natürlich immer schwierig, das war unsere Hauptschwierigkeit in diesem Stück, wie bringt man es zustande, daß der Zuschauer halbwegs befriedigt wird. Sicher wird er enttäuscht aus dem Theater gehen, weil da bringt sich der Schauspieler ja gar nicht einmal um. Zuerst quatscht er eine Stunde lang und dann - äh. Es ist schwierig, ich glaub, ... so wie jetzt der Schluß steht, ist er richtig gut gelöst. Wir haben auch das schon geprobt mit Sterben-lassen, Runterspringen-lassen, auf diesen Spießen aufpießen-lassen, aber das ist dann zu lächerlich. Da macht man sich zuviel kaputt - und leider lebe ich noch zu gerne, um mich da wirklich umzubringen.

O-Ton (Interview) Gaby Pflügl
Also, ich wollte diese theatralischen Mittel alle nicht verwenden, weil wir eben Theater spielen und das glaubt uns der Zuschauer nicht. Also auch, daß er sich erschießt, wir haben zwar einen echten Revolver, aber das bleibt trotzdem dann Theaterblut. Genauso das Aufspießen ist alles ein Trick und dem wollte ich aus dem Wege gehen, indem er sich eben entschließt, sich dann nicht umzubringen, zumindest nicht vor Publikum, und zumindest nicht in der ersten Vorstellung. Also, das bleibt ja offen, was dann passiert.

(Sprecherin) Von Beginn bis zum Ende des Stückes ging an Spannung nichts verloren, der Schauspieler engagierte sich mit Leib und Seele, seine Rolle mit Erfolg dem Publikum zu vermitteln. Man nimmt ihm jedes kleinste Detail glaubhaft ab.

(Marosi) Obwohl das Stück nicht auf Effekthascherei am Ende setzt, ist es doch sehenswert, wenn Mark Wechselberger fast schon todesmutig da ungesichert auf der Leiter seinen Text spricht und unter ihm Eisenstäbe emporragen.
(Sprecherin) Gaby Pflügl und Mark Wechselberger haben einen sicherlich schwierigen Text glaubwürdig erarbeitet. Mark Wechselberger überzeugt mit der Darstellung des gescheiterten und kurz vor dem Selbstmord stehenden Schauspielers. Er bringt dem Zuschauer Ciorans nihilistische Aphorismen erschreckend nah. Allein die Musik, die manchmal ironisch eingeblendt wird, wirkt störend.

O-Ton (Musik) Nick Cave:
When you are sad and when you are lonely and you havent got a friend Just remember that death is not the end
And all I knew how sacred falls down and does not mend Just remember that death is not the end
not the end, not the end, just rememeber that death is not the end.